von Kristin Neumann

Werden wir wirklich steril geboren?

Es ist eine kontroverse Diskussion unter Mikrobiom-Wissenschaftlern im Gange. Ist die Gebärmutter steril? Seit mehr als einem Jahrhundert gehen wir davon aus, dass die Plazenta steril ist.

Seit 2011 wurde dieses Dogma von verschiedenen Wissenschaftlern auf der ganzen Welt in Frage gestellt.

Indira Mysorekar fand Bakterien in einem Drittel von 200 untersuchten Plazenta-Proben. Die Bakterien befanden sich sogar innerhalb der Zellen, wo es keine Immunzellen in ihrer Nähe gab, was bedeutet, dass eine Entzündung ausgeschlossen werden konnte. Die Bakterien wurden nicht nur bei frühgebärenden Frauen gefunden, sondern auch bei Frauen, die normal gesund schwanger waren. Sie fanden Bakterien in der Plazenta, im Fruchtwasser und im Mekonium, dem ersten Stuhl, den das Baby im Uterus bildet. Dies könnte ein Hinweis auf ein fetales Mikrobiom sein.

Ein Team um Kjersti Aagaard fand bakterielle DNA im Plazentagewebe.

„Babys sollten die Bakterien aufnehmen, die sie im Geburtskanal antreffen, aber sie sah ein Missverhältnis zwischen den Bakterien in der Vagina schwangerer Frauen und denen, die in der ersten Lebenswoche bei Säuglingen vorkamen. Das könnte nur einen Sinn ergeben, wenn das Mikrobiom sich vor der Geburt ansiedelt.“

Sie analysierten die Plazentas von 320 Frauen, von denen einige Frühgeburten bekamen. Nicht jede Plazenta enthielt bakterielle DNA, aber viele taten es. Sie fanden bakterielle Gemeinschaften, die von E. coli und einigen anderen Gruppen dominiert wurden. Die gefundenen bakteriellen Gemeinschaften zeigten die höchste Übereinstimmung mit den Bakterien, die normalerweise im Mund gefunden werden. Die Frage ist, wie kamen die Bakterien vom Mund zur Plazenta? Aagard argumentiert, dass die Bakterien in Plazenten von Frauen, die früh geboren haben, sich von Bakterien unterscheiden, die bei Frauen gefunden werden, die eine normale, gesunde Geburt hatten. Dies könnte ein Hinweis darauf sein, dass tatsächlich einige Bakterien in der Plazenta vorhanden sind, die keine Entzündung induzieren und somit zum fötalen Mikrobiom gehören.

Eine Reihe von Forschern bezweifelt die These eines fetalen Mikrobioms jedoch stark.

Sie argumentieren, dass die mikrobiellen Spuren in der Plazenta Kontaminationen des Laborequipments sind. Samuel Parrys Team in Philadelphia fand diese Kontaminationen tatsächlich in Abstrichen, DNA-Reinigungskits und anderen Geräten, als sie sich auf ihre eigenen Studien des Plazenta-Mikrobioms vorbereiteten. Mit den DNA-Kontaminationen im Hintergrund konnten sie in den Plazenten keine bakterielle DNA finden.

Ein weiteres Argument gegen die fötale Mikrobiom-These stammt von Maria Dominguez-Bello, die den Transfer der Vaginalbakterien der Mütter auf ihre Babys untersucht, die per Kaiserschnitt geboren wurden. Sie argumentiert, dass die Sterilität gebrochen ist, wenn die Fruchtblase platzt, was den Bakterien viel Zeit lässt, um in den Darm des Säuglings zu gelangen.

„Die Geburt dauert Stunden, in denen das Baby schluckt und sich an den Wänden des Geburtskanals reibt“, fügt sie hinzu. „Selbst wenn ein Baby durch einen Kaiserschnitt geboren wird, kann es Stunden oder sogar Tage dauern, bis das Kind seinen ersten Stuhlgang hat – ein mögliches Zeitfenster, währenddessen es Bakterien außerhalb der Gebärmutter aufnehmen kann.“

Der überzeugendste Beweis dafür, dass das fetale Mikrobiom nicht existiert, ist die Existenz von Labormäusen, die steril sind. Diese Mäuse wurden operativ von Mäusen mit normalen Mikrobiomen entnommen und dann unter sterilen Bedingungen aufgezogen. Wenn ein fetales Mikrobiom existieren würde, würden diese sterilen Mäuse nicht bereits seit 70 Jahren erfolgreich angewendet werden.

Wir könnten bald eine Antwort in dieser kontroversen Diskussion haben

Ein Team um Samuel Parry und der Geburtshelfer Robert Romero vom „National Institute of Child Health and Human Development“ in Detroit, Michigan, planen eine multizentrische Studie, um die Frage in noch mehr Plazenten zu untersuchen. Sie haben Aagaard eingeladen, die bereit ist teilzunehmen. Sie planen, schon im nächsten Jahr Antworten zu erhalten – „diese Kontroverse kann gelöst werden“, sagt Romero.

Für mehr Informationen, folge diesen Link: https://www.nature.com/articles/d41586-018-00664-8

Dr. Kristin Neumann
Dr. Kristin Neumann
Autorin

Ich studierte Molekular- und Mikro-Biologie, weil ich immer wissen wollte, wie das Leben funktioniert. Nach meiner Promotion hatte ich einige sehr idealistische Ansichten über einen Job, der der Menschheit dienen würde …

Dir gefällt was du gelesen hast? Teile es mit deinen Freunden!

Zurück

Datenschutz­einstellungen

Wenn Sie auf „Alle akzeptieren“ klicken, stimmen Sie der Speicherung von Cookies auf Ihrem lokalen Gerät zu. Dadurch verbessert sich die Navigation auf der Seite, Videoinhalte können dargestellt werden und wir können anonym analysieren, ob die Seiten so genutzt werden, wie gedacht. Alle Freigaben erfolgen nach den Vorschriften der DSGVO.

You are using an outdated browser. The website may not be displayed correctly. Close