Neues aus der Tierwelt. Mikrobiom und Ernährung
In unseren Bemühungen, euch in Sachen Mikrobiom auf dem Laufenden zu halten, möchten wir euch mit diesem Artikel zur Abwechslung nicht die neuesten Forschungen zum menschlichen Mikrobiom vorstellen, sondern einen kleinen Seitenblick in die Tierwelt wagen. Besonders Versuche mit Nagetieren sind eine wichtige Grundlage für die Untersuchung des menschlichen Mikrobioms, da hier zahlreiche Parallelen festzustellen sind. Es sind aber bei Weitem nicht alle Forschungen an Tieren eins zu eins auf den Menschen übertragbar. Im Gegenteil, wie zwei kürzlich veröffentlichte Studien zeigen.
Koalas können nicht alle Arten von Eukalyptus verdauen
Bereits im August 2019 veröffentlichte „Animal Microbiome“ Forschungsergebnisse von Michaela D. J. Blyton, Rochelle M. Soo und weiteren Kollegen, die Auswertung von Koala-Kotproben betreffend. In breit angelegten Sequenzierungen von Koala Kotproben wurde das Mikrobiom verschiedener Populationen entschlüsselt und in Zusammenhang mit der Nahrung aus spezifischen Eukalyptusarten gesetzt. Beim Menschen beeinflusst ja die Zusammensetzung der Nahrung direkt die Zusammensetzung des Mikrobioms. Erstaunlicherweise scheint es beim Koala genau andersherum zu sein: das Koalababy übernimmt durch den Kontakt mit dem mütterlichen Kot bei der Geburt eine spezielle Magen-Darmflora. Diese wiederum bestimmt, welche Eukalyptusblätter für das Tier verdaulich sind und welche nicht. Ist aber die gewohnte Nahrungsquelle nicht verfügbar, kann der Koala nicht ohne weiteres auf anderen Eukalyptus umsteigen. Erst als die Forscher den untersuchten Tieren das Mikrobiom ihrer Artgenossen übertrugen, konnten die so umgestellten Tiere auch die entsprechend „fremden“ Eukalyptusblätter verdauen.
Interessant ist diese Erkenntnis natürlich gerade jetzt, wo hunderte von Hektar an Eukalyptuswäldern in Flammen gestanden sind und damit wichtige Nahrungsgrundlagen für Koalapopulationen zerstört wurden. Die geretteten Tiere können also nicht einfach in Wälder mit anderem Eukalyptusbestand umgesiedelt werden. Allerdings könnte eine – etwas aufwändigere – Behandlung mit Präparaten aus dem Kot von dort ansässigen Artgenommen die Tiere retten.
Neben dem praktischen Aspekt in der aktuellen Notlage hat das Ergebnis aber auch wissenschaftliche Relevanz: beim Koala beeinflusst nicht die Ernährung das Mikrobiom, sondern genau andersherum gibt das Mikrobiom vor, welche Ernährung für das Tier verträglich ist (eine Zusammenfassung des Artikels findet sich bei „Wissenschaft aktuell“).
Vogel, Fledermäuse und das Mikrobiom.
Eine weitere Studie aus dem Tierreich wurde Ende Dezember 2019 von der University of California, San Diego, veröffentlicht. Bislang galt die Annahme, dass zwischen Mikrobiom und Wirt eine sehr enge Wechselwirkung besteht und dass ähnliche Spezies ein vergleichbares Mikrobiom vorweisen. Interessanterweise scheint sich nun die Flugfähigkeit als Kriterium abzuzeichnen, welches das Mikrobiom maßgeblich beeinflusst und zwar vor allem dahingehend, dass flugfähige Spezies (die Studie untersuchte Vögel und Fledermäuse) in erster Linie überflüssiges Gewicht einsparen wollen. Und dass das Mikrobiom durchaus einiges an Gewicht ausmacht, wissen wir schon länger – beim Menschen können es einige Kilos sein. Ein evolutionärer Vorteil ist es also, auf überflüssige oder nur bedingt brauchbare Mikroben – und damit Kilos – besser ganz zu verzichten.
Des Weiteren zeigt die Studie, dass die Korrelation zwischen Mikrobiom und Wirt womöglich im Tierreich doch nicht so zwingend ist, wie bisher angenommen. Im Gegenteil zeigt die Studie, dass die wichtigste Gemeinsamkeit zwischen Vögel bzw. Fledermäusen und deren Mikrobiom die ist, dass es offenbar keine so enge Korrelation gibt, wie bislang postuliert. Es gibt also Spezies, die über Jahrtausende sehr stabile Mikrobiome pflegen, während andere sich eher dynamisch verhalten. Zu letzteren gehören die flugfähigen Spezies, die sich weitestgehend unabhängig von ihrem Mikrobiom entwickeln. Auch der Zusammenhang zwischen Ernährung und Mikrobiom wird damit etwas relativiert, wie schon die oben genannte Koala-Studie ergab.
Das Team um die leitende Autorin PhD Sejin Song freut sich über diese erstaunlichen Erkenntnisse, die einen Paradigmenwechsel in der Mikrobiomforschung markieren. Auch der renommierte Mikrobiomforscher Dr. Rob Knight sieht die Studie als Ausgangspunkt für folgende Untersuchungen hinsichtlich Metagenom und Stoffwechsel. Wir haben also ein wichtiges Puzzleteil in der komplexen Mikrobiomforschung gefunden, das es uns ermöglicht, auch das menschliche Mikrobiom letztlich besser einzuordnen.
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