Ein neuer Magenkrebs weilt unter uns!
1900 war Magenkrebs die häufigste Ursache für Krebstod in den USA und anderen Ländern. Dieser Krebs wurde mit dem Verschwinden des kommensalen Magenbakteriums Helicobacter pylori verringert, welches als Ursache für Magenkrebs verantwortlich gemacht wird. Eigentlich sind das gute Nachrichten, aber hier kommt auch gleich die schlechte Nachricht hinterher: mit dem Verschwinden von H. pylori und der Abnahme von Magenkrebs, entstand ein neuer Krebs: das Adenokarzinom der Speiseröhre (meist an der gastroösophagealen Kreuzung lokalisiert, genannt GEJ). Die Häufigkeit von GEJ-Krebs bei nicht-hispanischen Weißen in den Vereinigten Staaten ist jetzt höher als das traditionelle Magenkarzinom und GEJ steigt in vielen entwickelten Ländern drastisch an.
Bei diesem Phänomen ist die Präsenz von H. pylori indirekt proportional zur Entwicklung des Speiseröhrenkrebs und seiner Vorläufererkrankungen. Daher scheint H. pylori zur Entstehung von Magenkrebs beizutragen, schützt jedoch vor Speiseröhrenkrebs. Mit dem Verschwinden von H. pylori aus unseren Mägen ist also auch die Magenkrebsrate zurückgegangen, dafür aber die Speiseröhrenkrebsrate gestiegen!
Der Magenkrebs gibt dem Speiseröhrenkrebs die Hand!
Aber nicht nur der Anstieg von Speiseröhrenkrebs, sondern auch der Anstieg einer "neuen" Klasse von Magenkrebs wurde von William Anderson und seinen Kollegen am NIH beobachtet: Er ist neu, weil er stark altersspezifisch und noch geschlechtsspezifischer ist. Obwohl die Magenkrebsrate insgesamt sank, gilt dies nur für eine Bevölkerung von über 50 Jahren. In der Bevölkerung unter 50 Jahren steigt die Anzahl der neu auftretenden Magenkrebsarten um 1,3% pro Jahr.
Die neue Art von Magenkrebs ist häufiger bei Frauen zu beobachten
Diese neue Art von Magenkrebs ist bei unter 50-jährigen Frauen ausgeprägter als bei Männern, obwohl Magenkrebs bei Männern bisher immer häufiger vorkam. Diese Art wird CYF-dominanter Krebs genannt (C für corpus, Y für youngaged, F für female).
Die wichtige Frage ist, was verursacht diese neue Krankheit?
Blaser und Kollegen haben unterschiedliche Hypothesen, die alle in einem veränderten Mikrobiom enden. Vor allem das Verschwinden des dominanten Magen-Bewohners H. pylori machte Platz für die Besiedelung durch andere Bakterien. Diese neuen Bewohner könnten besonders schädlich für die Magenschleimhaut sein. Als nächstes korreliert der Anstieg des CYF-Krebses mit dem Zeitraum der Antibiotikaära.
Der Anstieg der Antibiotikaexposition veränderte das Mikrobiom der westlichen Zivilisation, was wiederum die Entwicklung von CYF-Krebs fördern könnte. Nicht zuletzt führen Autoimmunerkrankungen ebenfalls zu Veränderungen der mikrobiellen Zusammensetzung und Autoimmunerkrankungen kommen häufiger bei Frauen vor. Dies könnte die dritte Erklärung für die Entwicklung dieses spezifischen Krebses aufgrund eines veränderten Mikrobioms sein.
„Kombinierte Studien von Antibiotika-Exposition, Mikrobiota, Krebs-Subtypen und prämalignen Zuständen zusammen ermöglichen Hypothesentests“, erklärt Martin Blaser in seiner Publikation.
Wir haben Glück, dass Blaser, Anderson und Kollegen diese sehr wichtigen Beobachtungen gemacht haben, jetzt müssen wir auf ein besseres Verständnis der Ursachen dieser Veränderungen in der Krebsentwicklung warten.