von Lisa Keilhofer

Was kochen wir denn heute? Wie Kochen unser Mikrobiom beeinflusst

Verändern gekochte Lebensmittel das Mikrobiom?
Verändern gekochte Lebensmittel das Mikrobiom? (Picture: © lassedesignen - stock.adobe.com)

Was sollen wir essen? Diese Frage treibt uns seit Jahrzehnten um. War historisch gesehen die Antwort für den Großteil der Menschen seit jeher „das, was wir kriegen können“, so dürfen wir uns heute mit dieser Luxusfrage der Überflussgesellschaft auseinandersetzen. Aber ist es wirklich purer Luxus? Immerhin wirkt sich die Entscheidung maßgeblich auf unser Wohlbefinden aus.

Unter den zahlreichen Ernährungsratgebern der Welt gibt es auch einige – selbst ernannte oder irgendwie qualifizierte – Experten, die für eine Rohkostdiät oder auch Paläo Diät plädieren. Die Idee dahinter ist, dass sich unsere Gene sehr viel langsamer entwickeln als unsere Essgewohnheiten und sich der menschliche Organismus noch nicht auf die „neueste“ Erfindung des Kochens angepasst hat.

Gleichzeitig lehren uns die Erkenntnisse der Entwicklungsgeschichte des Menschen, dass sich das menschliche Gehirn erst zu außerordentlichen Leistungen emporschwingen konnte, als der Mensch Feuer entfachen und seine Nahrung kochen konnte. Das durch Erhitzen leichter verdaulich gemachte Essen ließ dem Menschen noch genügend Restenergie, um sich geistig weiterzuentwickeln. Mehr dazu: Der kluge Bauch. Unser zweites Gehirn.

Warum kochen wir unser Essen überhaupt?

Um entscheiden zu können, ob Kochen „sinnvoll“ ist oder ob wir übertreiben, wie mit so vielen Errungenschaften unserer Zivilisation, sehen wir uns zunächst an, warum der Mensch Nahrung erhitzt. Die banalste Antwort lautet natürlich, dass eine warme Mahlzeit den Menschen auch von innen wärmt, was man vor allem in nördlicheren Gefilden in der kalten Jahreszeit sehr zu schätzen weiß. Hygienisch gesehen tötet Erhitzen auch einen Großteil der schädlichen Erreger ab, die sich womöglich auf oder in unserem Essen tummeln. Gerade für Kinder, alte und kranke Menschen sowie Schwangere ist Kochen also eine sinnvolle Vorbeugung vor unliebsamen Krankheiten. Zu guter Letzt aber verändert Erhitzen die Struktur bzw. die chemische Zusammensetzung der Materie, macht also die aufgenommene Nahrung leichter verdaulich oder überhaupt erst genießbar.

Macht es einen Unterschied, ob Essen gekocht ist oder nicht?

Die Auswirkungen von gekochter Nahrung auf das Mikrobiom im Vergleich zu Rohkost sind bisher wenig bis gar nicht erforscht. Ein Forscherteam um den Senior Autor PhD Peter Turnbaugh von der University of California in San Francisco und PhD Rachel Carmody von der Harvard University versuchte herauszufinden, ob sich Kochen auf unser Mikrobiom auswirkt. Die einfache Antwort lautet: Ja. Kochen beeinflusst unser Mikrobiom hinsichtlich Diversität und Art der Zusammensetzung. Leider ist das aber auch schon beinahe die einzige klare Aussage, die nach der durchgeführten Studie möglich ist. Inwiefern unser Mikrobiom beeinflusst wird, scheint ein sehr komplexer Vorgang zu sein.

Werfen wir einen Blick auf die einzelnen Auswertungen, veröffentlicht im September 2019 in >>> Nature Microbiology. Diese Studie wurde sowohl an Mäusen als auch an Menschen durchgeführt, da eine >>> Vorabstudie die Vermutung nahe legte, dass die Auswirkungen auf das Mikrobiom vergleichbar seien.

Mäuse auf Kartoffel-Rohkost: die Diversität des Mikrobioms nimmt ab

Setzt man Mäuse auf eine Diät aus rohen Süßkartoffeln, so nimmt eindeutig die Diversität des Mikrobioms ab. Auch die Gesamtanzahl an Bakterien im Darm nahm leicht ab. Des Weiteren konnte eine Zunahme von Bacteroidetes Bakterien verzeichnet werden, die für den Abbau von Glykanen benötigt werden, ein Vielfachzucker, der unter anderem in den rohen Süßkartoffeln auftritt. Um herauszufinden, welcher Faktor für die Veränderung des Mikrobioms ausschlaggebend ist, wurden Lebensmittel nach ihrem Stärkegehalt und ihrer Verdaulichkeit ausgewählt.

In einem nächsten Schritt wurde den Mäusen rohe bzw. gekochte weiße Kartoffeln, rote Beete, Karotten, Mais und Bohnen angeboten. Die Inhaltsstoffe der jeweiligen Lebensmittel wurden genau katalogisiert und aufgelistet, um eventuelle Zusammenhänge erkennen zu können. Das Ergebnis: Weiße Kartoffeln beeinflussen das Mikrobiom in gekochter vs. roher Form ähnlich wie Süßkartoffeln, aber für alle anderen Lebensmitteln konnte die Verallgemeinerung nicht gezogen werden. Das gleiche gilt das auch für Fleisch, da zwischen rohem und gekochtem Fleische keine wesentliche Veränderung zu beobachten war.

Turnbaugh schlussfolgert, dass der hohe Anteil an schwer verdaulicher Stärke in den Kartoffeln dafür verantwortlich ist, dass sich die gekochte Kost so sehr von der Rohkost unterscheidet. Dieses Ergebnis ist für Mäuse nicht uninteressant, allerdings gehört die (Süß-) Kartoffel zu den Nahrungsmitteln, die der Mensch traditionell ausschließlich gekocht genießt bzw. genießen kann.

Während der Versuche fiel auch auf, dass die Tiere, denen Rohkost gefüttert wurde, an Gewicht verloren und es lag die Vermutung nahe, dass das veränderte Mikrobiom mit dieser Gewichtsabnahme zusammenhängt. Als Gegenprobe wurde den Mäusen, die mit normaler Nahrung gefüttert wurden, die „Rohkost-Darmbakterien“ eingepflanzt, was aber sogar in einer Gewichtszunahme resultierte. Dieses scheinbar widersprüchliche Phänomen können die Forscher bislang nicht erklären.

Und wie reagieren Menschen?

Abschließend wurden fünf Frauen und drei Männer im Alter von 24 bis 40 Jahren für drei Tage auf Rohkost vs. gekochte Kost gleichen Inhalts gesetzt und deren Stuhlproben analysiert. Zunächst ist wieder festzuhalten, dass sich das Darm-Mikrobiom ganz eindeutig verändert, wenn von gekochter auf Rohkost-Nahrung ähnlich wie bei den Mäusen umgestellt wird, jedoch haben sich in den Nagern andere Mikroben geändert als beim Menschen. Die Studie zeigte erneut, dass Mäuse und Menschen in dieser Hinsicht nur bedingt vergleichbar sind.

Die Ergebnisse lassen also noch viele Fragen offen. Vor allem wird klar, dass Kochen einen Unterschied macht und dass dieser je nach Lebensmittel unterschiedlich stark ausfällt. Des Weiteren wurde klar, dass für die Folgestudie Nagetiere nur bedingt als Versuchstiere geeignet sind und die Versuche idealerweise direkt am Menschen durchgeführt werden sollten. Die bisherige Testgruppe von acht Personen ist bei Weitem zu klein, um Verallgemeinerungen zuzulassen.

Das Team um Turnbaugh und Carmody hofft, die Erkenntnisse um gekochte Nahrung unter anderem in der Ernährungstherapie einsetzen zu können. Vom momentanen Stand aus gesehen wird aber noch einiges an Folgeforschung nötig sein, um konkrete Schlüsse ziehen zu können.

Lisa Keilhofer
Lisa Keilhofer
Autorin

Lisa Keilhofer studierte an der Universität Regensburg. Sie arbeitet im Bereich Internationalisierung und als freiberufliche Lektorin.

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