Nicht nur auf die inneren Werte kommt es an – warum wir mehr auf unsere Hülle achten sollen
Wir möchten unsere Leser*innen auf Artikel in der GEO (Ausg. 06/2020, GEO kompakt Nr. 59) hinweisen, die den aktuellen Wissensstand um das Mikrobiom „für Neueinsteiger“ sehr schön zusammenfassen und außerdem zeigen, wie präsent das Thema aktuell ist.
Besonders hervorheben wollen wir den Beitrag „Unsere Wunderbare Hülle“ von Ute Eberle, der auf acht Seiten unsere äußere Hülle in den Fokus nimmt und so manches aufschlussreiche Detail liefert. Hier die Zusammenfassung für euch:
Die Haut hat mehr Aufgaben, als man denkt
Grundsätzlich ist zu sagen, dass wir unsere Haut unterschätzen, wir nehmen sie einfach als gegeben hin. Die Autorin mutmaßt, es liege daran, dass wir eben mehr auf unsere inneren Werte achten als auf das Äußere – eine sehr noble Annahme. Tatsache ist, dass vielen Menschen nicht bewusst ist, dass die Haut zu unseren Organen zählt und in der Tat unser größtes Organ ist. Sie umfasst bei einem Erwachsenen 1,5 bis 2 Quadratmeter und wiegt mehr als das zugehörige Skelett. Bereits ein Verlust von 20 Prozent der Haut bedeutet den Tod. Nehmen wir also die Haut genauer unter die Lupe!
Aufbau und Funktionen der Haut
Die Haut besteht aus drei Schichten, der Unterhaut (Subkutis), der Lederhaut (Dermis) und der Oberhaut (Epidermis). Die unterste Schicht fungiert mit ihren Fettpolstern als Isolation vor Wärmeverlust oder Überhitzung, aber auch als Energiespeicher und Pufferzone gegen Stöße und andere mechanische Belastungen von außen. Die mittlere Schicht ist von Arterien und Venen durchzogen, sie enthält die Schweiß- und Talgdrüsen sowie Nervenzellen. Sie ist verantwortlich für Temperatur- und Schmerzempfinden. Dabei werden die permanenten Meldungen, die das Gehirn von der Haut erhält, zu lebenswichtigen Informationen verarbeitet. Berühren wir einen spitzen oder flachen Gegenstand, welche Beschaffenheit hinsichtlich Oberfläche und Material finden wir vor, droht Verletzungs- oder Verbrennungsgefahr? Dies alles zu entscheiden, dauert nur den Bruchteil einer Sekunde und unser Unterbewusstsein trifft die Entscheidung anhand der Summe der Information, die die feinen Sensoren in der Haut liefern.
Aber nicht nur Gefahren werden abgewendet, die bloße Orientierung in der Umwelt – Informationen darüber, wie weit unser Umfang reicht und wo Sitzflächen, Wege, Gegenstände enden, kurz: die Tatsache, dass wir „wir“ sind und die Umwelt „außerhalb“, das alles verdanken wir der Haut.
Die Oberschicht oder Epidermis umschließt dieses geballte Informationszentrum, schützt es vor äußeren Einflüssen wie UV-Strahlung, hilft, die Körperwärme zu halten und bewahrt den Körper vor dem Austrocknen durch Wasserverlust. Zusätzlich zur Epidermis ist unser Körper von einer weiteren Schicht umhüllt, die zwar nicht Teil unserer „selbst“ ist, aber deswegen nicht weniger wichtig: unser Haut-Mikrobiom.
Bakterien sind ein wichtiger Teil des Ganzen
Lange Zeit war man der Annahme, dass die Bakterien auf unserer Haut dort eher ein unvermeidlicher Umstand sind, den man aber getrost hinnehmen kann, da die Bakterien offenbar nicht weiter stören. Inzwischen weiß man, die kleinen Mitbewohner (und ihre Stoffwechselprodukte) sind sogar hilfreich und wichtig für die vollumfängliche Funktion unserer Haut. So konnte nachgewiesen werden, dass bestimmte Hautmikroben Substanzen absondern, die Krankheitserreger abwehren können.
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So unterschiedlich wie die Anforderungen an unsere Haut an den verschiedenen Körperstellen, so unterschiedlich sind auch die Mikroben, die wir dort typischerweise (und idealerweise!) vorfinden. An den vorwiegend trockenen Stellen wie Arme oder Beine tummeln sich Actinobakterien, Firmicutes, Proteobakterien und Bakteroidetes. Die feuchten Areale der Haut (Achselhöhle, Nabel) werden dagegen vor allem von Corynebakterien und Staphylokokken besiedelt, und zwar in einer enormen Dichte. Die fettigen Hautstellen wie Stirn, Nase oder Rücken sind die Heimat von Propionibakterien.
>>> Lese hier mehr zu "Mein Mikrobiom an verschiedenen Körperstellen"
Unsere Haut will berührt werden
Unsere Haut ist in ständigem Kontakt mit unserer Kleidung, mit dem Fußboden oder der Sitzfläche unseres Stuhls, sie nimmt permanent wahr, ob die Witterung kühl und feucht oder warm und trocken ist und ob wir von etwas – oder jemandem – berührt werden. Vor allem letzterer Punkt ist ein sehr spannender, denn menschliche Kontakte sind laut Eberle eine nicht zu unterschätzende Komponente. Bereits in der achten Schwangerschaftswoche reagiert der Embryo auf Berührungen und der Mensch braucht von diesem Zeitpunkt an und für den Rest seines Lebens die Stimulation durch Körpernähe. Unterbleibt diese, und man kann sich den Verweis auf die Corona-Krise mal wieder nicht verkneifen, so sinkt unser Wohlbefinden, Blutdruck, Herzfrequenz und Stresslevel steigen an. Der Mangel an Berührungen führt zu körperlichem Unwohlsein.
Eincremen als Angriff auf unsere Haut
Die Kosmetik- und Wellnessindustrie hat diesen Zusammenhang natürlich längst erkannt. Cremes werben vor allem damit, dass man sich mit der Anwendung „etwas Gutes tut“. Das kann eine duftende Körperlotion sein, eine pflegende Handcreme oder eine reichhaltige Gesichtscreme – unsere Haut reagiert schon alleine auf die Berührung positiv.
Aber wie wirkt sich das Auftragen von diversen Cremes auf die Millionen von Bakterien aus, die unsere Hautbarriere schützen? Im Zweifelsfall ist tatsächlich die Berührung mehr wert als die Substanz, die aufgebracht wird, denn ein intaktes Mikrobiom braucht keine zusätzlichen Cremes. Dummerweise finden wir Menschen diese idealen Umstände nicht mehr so oft vor. Wir leben in klimatisierten und beheizten Räumen, die unsere Haut austrocknen, wir sehen uns mit Mikro-Partikeln und Feinstaub konfrontiert, die chemisch oder mechanisch auf unsere Haut einwirken. Wir müssen von Berufs wegen unsere Füße in luftdichte Stiefel stecken oder unsere Hände mehrmals in der Stunde desinfizieren. Und natürlich kommt dann noch die Phase der Pubertät, in der die Umstände gar nicht ideal genug sein können, um nicht den einen oder anderen Pickel auf der Stirn hervorrufen zu können. Kurzum, der moderne Mensch kommt um gelegentliches Cremen nicht umhin.
Das Mikrobiom schützen
Deswegen ist es umso wichtiger, die Cremes dahingehend auszuwählen, dass die Bakterienvielfalt auf der Haut gewahrt wird und damit die Haut geschützt. Achtet daher beim Kauf eines Produkts auf unser „Microbiome-friendly“ Siegel. Denn was die Haut angeht, kommt es nicht nur auf die inneren Werte eines Menschen an!
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