von Inge Lindseth

Sport und das Mikrobiom: Auf der Couch liegen, Probiotikum nehmen und Elite-Athlet werden?

Mikrobiom-Forschung mutet zuweilen etwas sonderbar an. Die Mikrobiom-Forschung mit Athleten ist da keine Ausnahme.

Hier sind zwei der neuesten Erkenntnisse aus der Mikrobiom-Forschung rund um Sport:

Erkenntnis 1: Ein taiwanesisches Forscherteam bat die Olympiasiegerin im Gewichtheben um eine Stuhlprobe zu Forschungszwecken (1). Einige der Bakterienstränge der Stuhlprobe wurden dann auf Mäuse übertragen und diese einer „Mäuse-Olympiade“ unterzogen: Die Mäuse wurden vor und nach dem Transfer der „Olympischen Bakterien“ auf Griffstärke getestet. Ergebnis: Die Behandlung mit den Bakteriensträngen erhöhte die Griffstärke um 30 Prozent im Vergleich zu unbehandelten Mäusen.

Erkenntnis 2: Eine weitere taiwanesische Studie testete an einer Gruppe von 54 Männern und Frauen eine Probiotika-Gabe über sechs Wochen. Vor und nach der Probiotika-Kur wurden die Probanden Tests unterzogen. Nach den sechs Wochen zeigten die Personen, die mit Probiotika behandelt wurden, eine Leistungssteigerung auf dem Laufband von erstaunlichen 50 Prozent.

Laufbandtests (also Messung der Zeit bis zur Erschöpfung) sind leider nicht so aussagekräftig wie Geschwindigkeitsmessungen (also eine gegebene Distanz möglichst schnell zu laufen) und eine statistisch signifikante und kausal eindeutige Leistungssteigerung ist schwierig zu bestimmen.

Außerdem sprechen wir hier von nur zwei Studien, welche kaum als allgemeiner Beweis gelten können, dass eine Veränderung des Mikrobioms leistungssteigernd wirkt.

 

Eine Laktat-liebende Mikrobe

Aber auch andere Studien deuten darauf hin, dass Mikroben und sportliche Leistungsfähigkeit in Zusammenhang stehen. Ein Erklärungsansatz verfolgt den vermutlich leistungssteigernden Effekt bestimmter Mikroben.

Bereits 2015 analysierte eine Studie den Stuhl von 15 Marathonläufern unmittelbar nach dem Lauf und fand ein erhöhtes Vorkommen an Veillonella atypica (3). Schon vor dem eigentlichen Marathon war bei den Läufern das Bakterium in höherem Maß vorhanden als bei Nicht-Athleten. Interessanterweise ist die einzige Energiequelle, die das Bakterium nutzen kann, sehr typisch für Sport, nämlich Laktat.

Das Bakterium Veillonella atypica verstoffwechselt Laktat zu den kurzkettigen Fettsäuren Propionat und Acetat. Als Forscher dieses Bakterium auf Mäuse transferierten, konnten sie eindeutig eine Leistungssteigerung bei den Mäusen feststellen (3). Ebenfalls einen leistungssteigernden Effekt hatte der Transfer von Propionat in das Darm-Mikrobiom der Mäuse. Eine kürzlich veröffentlichte Studie bestätigte ebenfalls den ausdauersteigernden Effekt von Azetat und Butyrat, nicht allerdings für Propionat, was Raum für Folgestudien offenlässt (4).

Auch in der Studie aus Beispiel 2 wurden unterschiedliche Laktatwerte der Vergleichsgruppen notiert. Die Gruppe, die mit Probiotika behandelt wurde, zeigte sowohl während als auch nach den Leistungstests niedrigere Laktatwerte im Blut.

 

Wie kann man nach heutigem Stand sein Mikrobiom gezielt so verändern, dass man seine Leistung steigert?

Natürlich ist es grundsätzlich sinnvoll zu wissen, wie das Mikrobiom aussieht, bevor man etwas ändert. Leider ist es bei weitem kein Standardprocedere, den Zustand eines Mikrobioms hinsichtlich sportlicher Leistungsfähigkeit zu untersuchen. Den Verfassern dieses Artikels ist kein kommerzieller Anbieter bekannt, der hier gezielt weiterhilft.

Empfehlenswert ist deshalb, sich mit grundsätzlichen Ratschlägen auseinanderzusetzen, wie man sein Mikrobiom bestmöglich behandelt. Dies ist aktuell der vernünftigste Ansatz, da es zum jetzigen Stand kein leistungssteigerndes Probiotikum auf dem Markt gibt, das von klinischen Studien unterstützt wird. Dieses Video auf unserem YouTube-Kanal gibt eine gute Zusammenfassung dazu: https://www.youtube.com/watch?v=i8jgCm3wSrM).

Aber in den nächsten Jahren ist mit ziemlicher Sicherheit mit interessanten Entwicklungen auf diesem Feld zu rechnen. Ein personalisierter, Mikrobiom-orientierter Ansatz mit verschiedenen probiotischen Produkten und leistungssteigernden Ernährungsanpassungen wird die Zukunft des Sports bestimmen.

Allerdings: Nur auf der Couch liegen, eine Pille nehmen und dann besser in Sport werden, bleibt nach wie vor Science-Fiction.

Inge Lindseth
Inge Lindseth
Registrierter Ernährungsberater

Inge Lindseth ist ein registrierter Ernährungsberater (Universität Oslo). Seine Spezialgebiete sind Fasten, das Mikrobiom, Übergewicht, Diabetes und Autoimmune Krankheiten. Er hat zwei Bücher über Ernährung geschrieben und einige Peer-Review Artikel veröffentlicht.

Dir gefällt was du gelesen hast? Teile es mit deinen Freunden!

Zurück

Datenschutz­einstellungen

Wenn Sie auf „Alle akzeptieren“ klicken, stimmen Sie der Speicherung von Cookies auf Ihrem lokalen Gerät zu. Dadurch verbessert sich die Navigation auf der Seite, Videoinhalte können dargestellt werden und wir können anonym analysieren, ob die Seiten so genutzt werden, wie gedacht. Alle Freigaben erfolgen nach den Vorschriften der DSGVO.

You are using an outdated browser. The website may not be displayed correctly. Close