Pass auf dein Mundwerk auf! Das Orale Mikrobiom verstehen und gut behandeln.
Unser Mund ist die Körperöffnung, die tagtäglich die drastischsten Schwankungen an Temperatur, Säuregehalt und chemischen Substanzen über sich ergehen lassen muss. Je nach Kulturraum konfrontieren wir unseren Mundraum mit beinahe kochend heißem Essen (beispielsweise in der Chinesischen Küche), mit überzuckerten Lebensmitteln (westliche Industrienationen), wir lassen unseren Zähne praktisch keine Pflege zukommen (Entwicklungsländer) oder greifen durch scharfe Mundsprays und -spülungen zu stark in das natürliche Gleichgewicht im Mund ein. Höchste Zeit also, dass wir uns einmal damit auseinandersetzen, welche Bedingungen idealerweise in unserem Mund herrschen und wie wir diese am besten erhalten können.
Wie sieht das Orale Mikrobiom aus?
Ein Forscherteam von verschiedenen Institutionen der Ernährungswissenschaften und Zahnmedizin aus den Niederlanden fasst in einem >>> Grundsatzartikel die wichtigsten Eckpunkte zum Oralen Mikrobiom zusammen. Zunächst unterscheiden wir innerhalb des Mundes in neun verschiedene Regionen: Wangenschleimhaut, Vordergaumen, keratinisiertes Zahnfleisch, Gaumenmandeln, Speichel, supra- und subgingivale Plaque, Rachenraum und Zungenrücken. Genauer genommen subsumiert „das“ orale Mikrobiom eine Reihe von sehr spezifisch besiedelten Räumen, die ganz unterschiedlich beschaffen sind.
Ein durchschnittliches orales Mikrobiom enthält zwischen 20 und 50 Gattungen von 6 bis 9 Stämmen. Wir finden vorwiegend Streptokokken im Mundraum, daneben Prevotellae, Veillonellae und andere Bakterien, Pilze, Viren und Einzeller.
Wie kommt das Orale Mikrobiom zustande?
Bereits während der Schwangerschaft entwickelt das ungeborene Kind eine Toleranz gegenüber dem mütterlichen Mikrobiom, mit dem es über die Plazenta in Kontakt kommt. Der mehr oder weniger sterile Säugling wird unmittelbar nach der Geburt mit Mikroben aus der Umwelt konfrontiert und besiedelt. Dabei können sich Bakterien und Viren leichter ansiedeln, gegenüber denen das Kind während der Schwangerschaft eine Toleranz ausbilden konnte. Interessanterweise spielt bereits die Art der Geburt (vaginal oder Kaiserschnitt) eine große Rolle und ebenso, ob das Kind gestillt wird oder Flaschenmilch erhält. Diese Faktoren können sich für den Rest des Lebens auf das Kind auswirken, denn einmal besiedelt, fällt eine „Umsiedlung“ von Mikroben schwer.
Was passiert, wenn das Orale Mikrobiom aus dem Gleichgewicht gerät?
Karies, Zahnstein und Parodontose gehören zu den üblichen Krankheitsbildern eines geschädigten Mikrobioms. In der Tat ist Karies eine der am weitesten verbreiteten Krankheiten der gesamten Menschheit – mit unterschiedlich schlimmen Auswirkungen, denn ein offener Zahn ist ein Einfallstor für Keime aller Art und zieht bei unterlassener Behandlung jede Menge unangenehmer sekundärer Erkrankungen nach sich. Bei Fehlernährung und mangelnder Mundhygiene bildet sich ein Biofilm – genannt Plaque – welcher die Grundlage für Karies darstellt. In der Regel stellt sich dieser Biofilm bei kohlenhydratreicher Ernährung, vor allem bei einem übermäßigen Zuckerkonsum, ein. Die erste Folge ist das Absenken des pH-Wertes auf unter 5,5, damit einhergehend eine Demineralisierung und Schädigung des Zahngewebes.
Warum sind unsere Zähne so anfällig?
Für die meisten Körperregionen gilt das Prinzip „weniger ist mehr“. Oft werden naturnahe Völker herangezogen, um zu zeigen, dass man in das hochkomplexe Mikrobiom am besten gar nicht erst eingreift. Blicken wir aber in die Entwicklungsländer, wo Zahnhygiene noch nicht in der breiten Masse der Bevölkerung Standard ist, sehen wir hier genauso Kariesvorfälle wie in den hochentwickelten Industrienationen. Und ein Mensch im 21. Jahrhundert kämpft genauso mit Karies wie die alten Ägypter vor 3.000 Jahren. Auch der berühmte Steinzeitmann Ötzi hatte zwar vor 5.000 Jahren ein besseres Darmmikrobiom als wir (mehr dazu: Ötzis Mikrobiom besser als unseres), aber auch er blieb von Karies nicht verschont.
Grundsätzlich ist zwar richtig, dass eine möglichst „naturnahe“ Ernährung mit möglichst wenig industriell verarbeitetem Essen die Zähne schon beim Essen mehr abschleift, als der Konsum von „Industriebrei“, aber mit dem Verzehr von Kohlenhydraten und gekochtem Essen steigt die Kariesgefahr dermaßen, dass man um eine gute Zahnhygiene nicht herumkommt. Das liegt daran, dass Kochen und der Anbau von Nahrung (Kohlenhydrate) eine relativ neue Erfindung in der Menschheitsgeschichte sind und unser träges Mundmikrobiom noch nicht so weit ist. Unsere „heutige“ und seit Jahrtausenden gepflegte Ernährung ist schlicht für das Orale Mikrobiom zu modern.
Die richtige Zahnpflege – eine kurze Zusammenfassung
Stellen wir uns also den Tatsachen: Unser Mund bedarf erhöhter Aufmerksamkeit. Was wir seit unserer Kindheit wissen – mindestens zweimal täglich, am besten nach jeder Mahlzeit, Zähne putzen – ist schonmal ein guter Ansatz. Eine Zahnpasta mit Fluorid stärkt die Zähne. Elektrische Zahnbürsten putzen in der Regel gründlicher als Handzahnbürsten. Gleichzeitig leidet oft das empfindliche Zahnfleisch unter unseren angestrengten Reinigungsmaßnahmen, bildet sich zurück und gibt den Weg frei für Zahnhalskaries und schmerzhafte freiliegende Zahnhälse. Eine gründliche Reinigung muss also dennoch schonend sein. Dass Zucker den Zähnen schadet, wissen alle Kinder seit den zwei lieben Zeichentrickfiguren Karius und Baktus. Dass aber auch Säure – etwa aus Obst oder Säften – den Zahnschmelz angreifen kann und direkt anschließendes Putzen womöglich mehr schadet als nützt, gehört schon zu den fortgeschrittenen Informationen. Eine Zeitlang waren technische Mundspülgeräte in Mode. Heute rät man davon tendenziell ab, da diese oft sinnlos Keime unter das Zahnfleisch spülen. Zusätzlich zu empfehlen ist der regelmäßige Gebrauch von Zahnseide sowie von Zeit zu Zeit eine professionelle Zahnreinigung.
Karies ist kein Schönheitsfehler, sondern ein unangenehmer Befund, der sehr viele negative Konsequenzen nach sich ziehen kann. Gesunde Zähne zu haben ist also nicht nur ein zwischenmenschliches Aushängeschild, sondern auch unbedingt nötig für unseren allgemeinen Gesundheitszustand.
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