Gesund altern – Die richtigen Veränderungen im Darm unterstützen hohes Alter
Einer der führenden Mikrobiologen, die sich mit der Korrelation zwischen Darm-Mikrobiom und gesundem Altern auseinandersetzen, ist Ravinder Nagpal. Mit zahlreichen Auszeichnungen dekoriert, forscht er heute an der Wake Forest School of Medicine, Centre for Diabetes, Obesity & Metabolism, Department of Microbiology & Immunology. Laut Nagpal gibt es zwei Phasen im Leben eines Menschen, in denen das Immunsystem sich als besonders vulnerabel zeigt: die frühe Kindheit und das Alter. Mittlerweile wissen wir, dass in ebendiesen Lebensphasen das Darm-Mikrobiom in seiner Komposition die ausgeprägtesten Veränderungen erfährt, während es zwischen später Kindheit und Erwachsenenleben relativ stabil in seiner Zusammensetzung ist. Darin sieht Nagpal den Beweis, dass unsere Gesundheit zu einem großen Teil von einem intakten Darm-Mikrobiom abhängt (1).
Zusammensetzung des Darm-Mikrobioms entscheidend
Im Februar 2021 veröffentlichte ein Forscherteam des Institute of System Biology in Seattle (USA) eine Studie zu den Zusammenhängen von Gesundheit im Alter und der Zusammensetzung des Darm-Mikrobioms. Diese wurde in Nature Metabolism veröffentlicht (2). Auch diese Studie bestätigte den von Nagpal postulierten Zusammenhang zwischen Gesundheit im Alter und dem Darm-Mikrobiom und betont vor allem, dass ein adäquater und vor allem eindeutiger Wandel des Darm-Mikrobioms zwischen mittlerem Erwachsenenalter und Seniorenalter einer der Hauptfaktoren ist.
Grundlage für die Auswertung war eine Erhebung aus dem Jahr 2012, die Stuhlproben von 531 Individuen unterschiedlichster Herkunft analysierte. Die Proben stammten von Kindern und Erwachsenen aus dem Amazonasgebiet in Venezuela, einer ländlichen Region Malawis und einer US-amerikanischen Metropolregion (3). Dabei konnte festgestellt werden, dass nach einer relativ intensiven Entwicklungsphase in den ersten drei Lebensjahren das menschliche Darm-Mikrobiom im Erwachsenenalter relativ stabil ist und zwar bei allen untersuchten Personen, unabhängig von ihrer Herkunft. Allerdings wurden zwischen den eher traditionell lebenden Menschen aus Venezuela und Malawi und der US-amerikanischen Vergleichsgruppe gravierende Unterschiede in der Art der vorkommenden Bakterien festgestellt und zwar in Kindheit und Erwachsenenalter. Diese Unterschiede an und für sich sind schon ein Grund zur Besorgnis, sollen aber an anderer Stelle thematisiert werden.
Das Forscherteam aus Seattle wollte nun ein Muster in der Zusammensetzung des Darm-Mikrobioms von Senioren identifizieren, das sowohl mit hohem Alter als auch mit Gesundheit einhergeht. Untersucht wurden 9.000 Erwachsene im Alter von 18 bis 101 Jahren, darunter 900 Senioren, die sich regelmäßigen Check-Ups unterzogen. Dabei konnten ein paar kritische Komponenten identifiziert werden.
Kritische Faktoren für gesundes Altern
Zeigt sich das Darm-Mikrobiom von Kindheit bis Erwachsenenalter relativ stabil, so konnten die Wissenschaftler um Wilmanski et. al. eine zunehmende Veränderung der Zusammensetzung der Darm-Mikroben bei gesunden Senioren ausmachen. Dabei zeichnete sich eine zunehmende Individualisierung ab, die in Stoffwechselprodukten im Blut nachgewiesen werden kann. Des Weiteren zeigen überdurchschnittlich gesunde Senioren einen starken Abbau an Bacteroides und weisen im hohen Alter einen hohen Vitamin D-Anteil auf, sowie niedrige Level von Blutfettwerten wie LDL Cholesterin und Triglyceride.
Auch Indol, ein Stoffwechselprodukt der kommensalen Microbiota (also solche, die sich von Stoffwechselprodukten des Wirtes ernähren, ohne ihn zu schädigen), konnte in Zusammenhang mit gesundem Altern gebracht werden. Ein hohes Vorkommen an Indolen wurde mit reduzierter Gebrechlichkeit in Verbindung gebracht. Studien an Mäusen und Fliegen zeigten zwar, dass bei erhöhten Werten von Indolen die Lebensdauer insgesamt nicht verlängert wird, aber die Lebensqualität der untersuchten Tiere war durch stark verringerte Senilität erheblich besser als bei der Vergleichsgruppe mit niedrigeren Indol-Werten (4).
Eine vergleichbare Studie an gesunden 100-Jährigen in Norditalien zeigte ein ähnliches Ergebnis bei Menschen. Langlebigkeit wird durch signifikante Veränderungen der Darm-Mikrobiota und deren Stoffwechselprodukte beeinflusst. Als Schlüssel-Komponente konnten hier im Urin Marker für Langlebigkeit wie PAC (Phenylacetylglutamin) und PCS (p-Kresolulfat) festgemacht werden, die von Hundertjährigen im Vergleich zu älteren Menschen vermehrt ausgeschieden werden. Außerdem weisen Hundertjährige eine erhöhte Konzentration von 2-HB (2-Hdroxybenzoat) auf, eine Verbindung, die in den meisten Obst-und Gemüsesorten vorkommt und entzündungshemmend wirkt. (5).
Eine weitere Studie aus dem Jahr 2018 von Kim und Jawinski stellte konkret die gestörte Kommunikation zwischen Darmmikrobiom und Wirt als Ursache für Altersgebrechlichkeit und verminderte Langlebigkeit heraus (6). Grundsätzlich scheint viel moderate Bewegung und gesunde, ballaststoffreiche Ernährung einem gesunden, dem Alter entsprechend angepassten Mikrobiom zuträglich zu sein.
Alle Autoren betonen aber, dass noch nicht abschließend bestätigt werden kann, was Ursache und was Wirkung ist.
Was passiert, wenn sich das Mikrobiom nicht verändert?
Die Forscher um Wilmanski schauten sich besonders die Gruppe derer an, deren Mikrobiom sich trotz zunehmendem Alter nicht veränderte. Höhere Werte von Cholesterol und Triglyceriden im Blut, sowie niedrigere Werte von Vitamin D waren die Konsequenz. Die betroffenen Personen waren nicht mehr so fit wie ihre Altersgenossen mit adäquatem Mikrobiom. Die beteiligten Wissenschaftler stellten die These auf, dass vor allem die Beibehaltung der Bacteroides- Dominanz ausschlaggebend sei.
Dr. Saen M. Gibbons, einer der beteiligten Autoren, fasst es so zusammen: In jungen Jahren produziert der Mensch noch viel Schleim über der Darmschleimhaut, den die Bacteroides verstoffwechseln. Diese Produktion nimmt aber über die Jahre hin ab. Deswegen ist es sinnvoll, wenn auch das Vorkommen an Bacteroides zügig abnimmt, so wie es bei den „gesünderen“ untersuchten Personen etwa in den 40er Jahren der Fall ist. Unterbleibt diese Umstellung, haben die Bacteroides nicht mehr genügend Schleim zur Verfügung und greifen die Schleimhaut an. Dies kann entzündliche Reaktionen auslösen, die mit einer Reihe von chronischen Krankheiten assoziiert werden, die „ungesundes Altern“ typischerweise mit sich bringt (6). Diabetes, Arthritis und sogar verschiedene Arten von Krebs werden mit chronisch erhöhten Entzündungswerten in Verbindung gebracht.
Was können wir tun?
Die Autoren räumen ein, dass die Ernährung der untersuchten Personen nicht berücksichtigt wurde und schlagen vor, dies in Folgestudien näher zu betrachten. Gibbons mutmaßt, dass eine ballaststoffreiche Diät für die vorhandenen Bacteroides ausreichend Nahrung liefern sollte, um zu verhindern, dass die Schleimhaut angegriffen wird. Auch Therapiemöglichkeiten zur Reduktion überschüssiger Bacteroides sieht er in naher Zukunft. Einen möglichen Ansatz mit Metformin stellte im September 2020 der Geriater Prof. Christoph Kaleta, Leiter der Arbeitsgruppe „Medizinische Systembiologie“ am Institut für Experimentelle Medizin der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, in einer Online-Konferenz vor (7).
Gibbons Tipp an alle älteren Mitmenschen bis zur finalen Entwicklung einer Therapie – und er beherzigt ihn seit Durchführen der Studie auch selbst – ist gesunde Ernährung und ausreichend körperliche Betätigung. „Seit ich das Mikrobiom erforsche, esse ich viel mehr Ballaststoffe. Vollwertkost wie Obst und Gemüse liefern all die komplexen Kohlenhydrate, die unsere Mikroben gerne essen. Wenn wir uns ernähren, sollten wir also immer daran denken, dass wir auch unsere Mikroben ernähren“ (8).
Links zu Quellen:
1. Nagpal R, Mainali R, Gut microbiome and aging: Physiological and mechanistic insights, Nutr Healthy Aging (2018), https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/29951588/
2. Wilmanski T, Diener C, et al. Gut microbiome pattern reflects healthy ageing and predicts survival in humans. Nat Metab (2021). https://www.nature.com/articles/s42255-021-00348-0#citeas
3. Yatsunenko T, Rey F, et al. Human gut microbiome viewed across age and geography. Nature (2012), https://www.nature.com/articles/nature11053#citeas
4. Sonowall R, Swimm A, et.al., Indoles from commensal bacteria extend healthspan. PNAS (2017), https://www.pnas.org/content/114/36/E7506
5. Collino S, Montoliu I, et.al, Metabolic signatures of extreme longevity in northern Italian centenarians reveal a complex remodeling of lipids, amino acids, and gut microbiota metabolism. PLoS One (2013), https:/ /pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/23483888/
6. Kim S, Jawinksi S, The Gut Microbiota and Healthy Aging: A Mini-Review, Gerontology (2018), https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/30025401/
7. Kaleta Ch, Verändertes Mikrobiom bei Hochaltrigen: Wie die Darmflora das Altern beeinflussen kann, DGG (2020), https://www.dggeriatrie.de/images/Dokumente/200901-dgg-pressemeldung-keynote-christoph-kaleta-mikrobiom-bei-hochaltrigen.pdf
8. O´Connor A, A Changing Gut Microbiome May Predict How Well You Age, NY Times (2021) https://www-nytimes-com.cdn.ampproject.org/c/s/www.nytimes.com/2021/03/18/well/eat/microbiome-aging.amp.html
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