von Kristin Neumann

Bericht ICADA Seminar: Experten-Seminar Mikrobiom-Kosmetik in Deutschland

Seminar Mikrobiom-Kosmetik
Das erste Experten-Seminar zum Thema Mikrobiom-Kosmetik fand in Offenburg, Deutschland statt. Bild: "Wow these bugs make me look beautiful!", ©shutterstock.com, 298261583, by StockSmartStart

Am 13. September 2018 veranstalteten das BAV Institut (Gastgeber) und der Europäische Kosmetikverband ICADA (Veranstalter, Dr. Brunke) das erste Experten-Seminar zu Mikrobiom-Kosmetik in Deutschland. MyMicrobiome (Dr. Neumann, www.mymicrobiome.info) durfte das Seminar moderieren und darüber berichten.

MyMicrobiome führte durch folgende Themen:

  • Mikrobiologische Untersuchungsmethoden für Kosmetika
  • Wirkmechanismen und erzielbare Wirkungen kosmetischer Wirkstoffe
  • Produkt-Konzepte für das Haut-Mikrobiom
  • Marktpotentiale
  • Wirksamkeitsnachweise von Mikrobiom-Kosmetik
  • Regulatorische Situation in Europa

 

Das Thema Mikrobiom hat sich in der Kosmetikindustrie schon vielerorts manifestiert

Das menschliche Mikrobiom beinhaltet eine „ökologische Gemeinschaft aller kommensalen, symbiotischen und pathogenen Organismen, welche unseren Körper besiedeln“ (Lederberg et al., 2001) oder wie bereits 1988 definiert: ‘‘[…] das Mikrobiom kann als eine charakteristische mikrobielle Gemeinschaft definiert werden, die einen einigermaßen gut definierten Lebensraum einnimmt, der bestimmte physio-chemische Eigenschaften aufweist. Der Begriff bezieht sich somit nicht nur auf die beteiligten Mikroorganismen, sondern umfasst auch deren Aktivitätstheater.” (Whipps et al., 1988).

Für den Laien ein noch weitgehend unbekannter Begriff, hat sich das Thema Mikrobiom in der Kosmetikindustrie schon vielerorts manifestiert. Es ist klar, dass ein ausgewogenes, gesundes Hautmikrobiom direkt mit der Hautgesundheit korreliert. Das Experten-Seminar „Mikrobiom-Kosmetik“ beleuchtete den aktuellen Stand der Wissenschaft des Hautmikrobioms und erörterte die Möglichkeiten für die Kosmetikindustrie, das Hautmikrobiom und damit die Hautgesundheit positiv zu beeinflussen.

Charakterisierung und Untersuchungsmethoden von Mikroorganismen

Zu Beginn wurden praktische Themen wie Charakterisierung und Untersuchungsmethoden von Mikroorganismen erläutert. Einige noch heute verwendete Methoden zur Klassifizierung von Bakterien beruhen auf Methoden welche schon über 100 Jahre alt sind (mikroskopische Untersuchungen, Einteilung der Bakterien nach der Gram-Färbung in gram-positive und gram-negative Bakterien). Vor allem aber die mikrobiologischen Methoden zur Untersuchung der Anwesenheit von Bakterien in einem bestimmten Lebensraum sind nicht annähernd ausreichend um sich ein Bild von der mikrobiologischen Situation zu machen. Über herkömmliche Methoden der Anzucht von Mikroorganismen lässt sich nur ca. 1% der tatsächlich anwesenden Mikroben finden, da die restlichen 99% im Labor nicht anwachsen.

Heute können wir nun dank der rasanten Weiterentwicklung von molekularbiologischen Methoden die restlichen 99% der Mikroorganismen finden. Allerdings stoßen wir bei der Untersuchung der Haut auf eine weitere Hürde: die Art der Probennahme.

Die Art der Probennahme des Hautmikrobioms spielt eine große Rolle

The type of sampling of the skin microbiome plays a major role
Die Art der Probennahme spielt eine wichtige Rolle.

Betrachtet man das Mikrobiom der Haut, befindet sich das Stamm-Mikrobiom nicht auf der Hautoberfläche, sondern in den tieferen Schichten der Epidermis (residentes Mikrobiom). Auf der Hautoberfläche befinden sich hauptsächlich Mikroorganismen, welche wir gerade aufgeschnappt haben, von der letzten Türklinke, dem letzten Handschütteln usw. (transientes Mikrobiom). Mit einem einfachen Abklatsch oder Tupfer nehmen wir also lediglich eine Probe des transienten Haut-Mikrobioms, welches morgens ein anderes sein kann als abends.Will man es genau wissen, müsste eine Biopsie der Haut vorgenommen werden. Ein guter Mittelweg ist die Abrissmethode, bei der mit einem Tesa-Streifen bis zu 10-mal die gleiche Hautstelle „abgerissen“ wird. So erhält man auch einen Blick in die tiefer gelegenen Hautschichten. Diese Art der Probennahme hat allerdings den Nachteil, dass sie sich auf ein sehr kleines Hautareal begrenzt.

Die unendliche Vielfalt des Hautmikrobioms macht die Analyse nicht gerade einfach

Zur Varianz der Analysemethoden des Hautmikrobioms gesellt sich eine weit größere Komplexität: die unendliche Vielfalt des Hautmikrobioms. Verglichen mit unterschiedlichen Landschaften der Erde, lässt sich die Haut in verschiedene Ökosysteme einteilen, welche einzigartig in der Besiedelung mit Mikroorganismen sind. Die höchste mikrobielle Diversität lässt sich in den trockenen Hautarealen wie den Unterarmen oder dem Handrücken finden. Die fettigen Bereiche wie die Stirn, Rücken oder Nasenflügel sind überwiegend von Cutibakterien (ehemals Propionibakterien) besiedelt. Die höchste Bakteriendichte findet sich in den feuchten Arealen wie der Achselhöhle oder den Knie- und Armbeugen. Aber nicht nur die Diversität auf verschiedenen Hautarealen eines Menschen ist sehr hoch, hinzu kommt die Variabilität der Besiedelung zwischen den Menschen!

Ist es überhaupt möglich ein vernünftiges Mikrobiom-Kosmetikprodukt zu entwickeln?

So stellt sich die Frage: wie ist es möglich, ein Kosmetikprodukt zu entwickeln, welches einerseits die Diversität der verschiedenen Hautareale eines Menschen und andererseits die große Varianz unter den Menschen berücksichtigt? Frau Prof. Lang von der TU Berlin machte den Vorschlag, sich auf die Unterstützung des Kern-Mikrobioms der Haut zu fokussieren. Gesunde Haut ist zu 90% mit dem Bakterium Staphylococcus epidermidis besiedelt, gefolgt von Cutibacterium und Corynebacterium. Die hohe Diversität der Hautmikrobiota stellt nur einen kleinen Anteil an der Gesamtkeimzahl auf unserer Haut dar.

Obwohl das Thema Hautmikrobiom sehr komplex ist und wir heute noch sehr wenig davon verstehen, ist bereits eine Vielzahl an kosmetischen Produkten welche das Hautmikrobiom thematisieren, auf dem Markt erhältlich. Diese werben mit einer „Verbesserung des Mikrobioms“, „Aktivierung von Bakterien“, „Schonung des Mikrobioms“ usw. Es fallen Begriffe wie Probiotika, Präbiotika und Postbiotika, bekannt aus der Nahrungsmittelindustrie.

Sind Probiotika und Präbiotika für die Haut sinnvoll?

Während Pro- und Präbiotika in der Nahrungsmittelindustrie klar definiert sind, gibt es in der Kosmetikindustrie keine Definition. Von der FAO/WHO wurden Probiotika in Lebensmitteln wie folgt definiert: „lebende Mikroorganismen, die, wenn sie in ausreichenden Mengen verabreicht werden, dem Wirt einen gesundheitlichen Nutzen verschaffen". Trotz dieser Definition werden inaktivierte, nicht-lebendige Bakterien in der Kosmetik häufig als „Probiotikum“ bezeichnet. Hinzu kommt, dass die momentan verwendeten „Probiotika“ für die Haut, die gleichen Bakterien sind, wie die für den Darm verwendeten Probiotika, meist Lactobacillus oder Bifidobacterium. Die Zusammensetzung der Hautflora unterscheidet sich jedoch grundlegend von der der Darmflora! Probiotika für die Darmflora können auf der Haut nicht überleben, mal abgesehen vom fraglichen Nutzen für das Hautmikrobiom.


Das gleiche gilt für Präbiotika für die Haut. Auch diese kommen aus dem Bereich Darm-Präbiotika, meistens Fruchtzucker (FOS). Das Hautmikrobiom besitzt allerdings nicht die enzymatischen Werkzeuge um diese zu verdauen. Auch hier muss die Wissenschaft den Markt erst wieder einholen.

Nach all den schlechten Nachrichten kommen aber auch gute: einige Unternehmen haben (mikrobielle) Komponenten identifizieren können und wissenschaftlich validiert, welche sich entweder positiv auf das Hautmikrobiom oder auf die Hautgesundheit auswirken. Diese wurden teilweise auf dem Seminar vorgestellt (siehe auch Interview mit Dr. Cath O'Neill). Alle Technologien beruhen auf Lysaten (zerschredderten Zellen) eines spezifischen mikrobiellen Stammes. Einerseits haben solche Lysate Wirksamkeit auf die Hautgesundheit gezeigt (durch Erhöhung der Hautbarriere, verbesserte Hauterneuerung und Reduktion von unerwünschten Keimen), andererseits konnte durch das Lysat eines spezifischen Lactobacillus-Stammes die kommensale Hautflora gegenüber dem Pathogen S. aureus gefördert werden.

Weitere Themen des Seminars behandelten die fehlenden Vorgaben für Wirksamkeitsstudien von Mikrobiom-Kosmetika und noch nicht etablierte Regularien in der Kosmetikverordnung.

In der Kosmetikindustrie müssen neue Standards gesetzt werden

Dr. Bruenke, Geschäftsführer MTC
Dr. Bruenke (Geschäftsführer MTC, bruenke-mtc.de) stellte einige federführende Testmethoden vor.

Kosmetika werden hinsichtlich ihrer Qualität, zum Beispiel am BAV-Institut geprüft, allerdings ist keiner der Qualitätstests spezifisch für die Wirkung auf das Mikrobiom. Da das Mikrobiom in der Kosmetik von morgen nicht mehr wegzudenken ist und die aktuellen Kosmetika auch Einfluss auf unser Mikrobiom nehmen, müssen neue Standards gesetzt werden, was die Qualität von Kosmetikprodukten angeht. Einige federführende Testmethoden wurden von Dr. Brünke (Geschäftsführer MTC, bruenke-mtc.de) vorgestellt:

  • Ausschluss von negativen Einflüssen auf Hautmikrobiom-Bakterien
  • Aufrechterhaltung der Schutzfunktionen der Haut durch das körpereigene Hautmikrobiom
  • Behandlung mikrobiell verursachter Erkrankungen

Letztendlich müssen die Wirkungen von Mikrobiom-Kosmetika aber auch am Menschen untersucht werden.

Derzeit ist die Mikrobiom-Kosmetik regulatorisch noch nicht erfasst. Laut Artikel 2 (1) a) der Verordnung des Europäischen Parlaments sind „kosmetische Mittel“: Stoffe oder Gemische, die dazu bestimmt sind, äußerlich mit den Teilen des menschlichen Körpers (Haut, Behaarungssystem, Nägel, Lippen und äußere intime Regionen) oder mit den Zähnen und den Schleimhäu­ten der Mundhöhle in Berührung zu kommen, und zwar zu dem ausschließlichen oder überwiegenden Zweck, diese zu reinigen, zu parfümieren, ihr Aussehen zu verändern, sie zu schützen, sie in gutem Zustand zu halten oder den Körper­geruch zu beeinflussen;

Kosmetik-Verbände wie ICADA oder Cosmetics Europe diskutieren zurzeit in der Arbeitsgruppe für Borderline-Produkte der EU-Kommission, wie Mikrobiom-Kosmetik Produkte in diese Definition einzuordnen sind. Das Wort Hautmikrobiom taucht in dieser Definition nicht konkret auf, jedoch kann es als ein Bestandteil der Haut gesehen werden. Die Haut in gutem Zustand zu halten kann auch das Mikrobiom einbeziehen, da ein gesundes Mikrobiom für eine gesunde Haut sorgt. Der früher verwendete Begriff „Hautflora“ könnte nun mit dem Begriff „Hautmikrobiom“ ersetzt werden. Nun ist die Frage, soll sich das Wording in der Kosmetikindustrie an der Definition orientieren, sollte die Definition weiter gefasst werden oder sollte bei einer bahnbrechenden Neuerung wie das Miteinbeziehen des Mikrobioms in die Kosmetik, nicht die Definition neu verfasst werden?

Uneinigkeit herrscht darüber, ob ein Einfluss auf das Mikrobiom, also auf Bakterien, nicht sogar in die Biozidverordnung fällt. Fest steht, dass eine vernünftige Lösung gefunden werden muss.

Das Mikrobiom hat bereits Einzug in die Kosmetikindustrie gehalten

Das Fazit dieses Seminars ist, dass das Bewusstsein um das Mikrobiom und sein Einfluss auf unsere Gesundheit bereits Einzug in die Kosmetikindustrie genommen hat. Obwohl die Forschung zum Hautmikrobiom noch sehr jung ist und mehr Fragen offen sind als beantwortet, tummeln sich schon einige Kosmetikprodukte für das Mikrobiom auf dem Markt. Einige nutzen den Trend und verwenden Phrasen wie „Pro- und Präbiotika für die Haut“ ohne jede wissenschaftliche Basis, andere suchen intensiv nach den richtigen Molekülen oder Bakterienstämmen, welche unser Hautmikrobiom und unsere Hautgesundheit nachweislich fördern. Der Kosmetik-Konsument muss, genau wie in der Nahrungsmittelindustrie, achtsam sein, welches Produkt wirklich von Nutzen ist. Fehlt der wissenschaftliche Background zum Produkt, kann man sich das Geld sparen. Die Frage, welche sich seriöse Kosmetikhersteller stellen sollten, ist, wie kann ich mit dem jetzigen Stand der Wissenschaft wirklich sinnvolle Produkte für ein gesundes Mikrobiom entwickeln? Zunächst gilt es sicherlich, die mikrobiellen Bewohner unserer Haut so wenig wie möglich zu stören. Beschränkt man sich auf die Betrachtung des „Kern-Mikrobioms“ der Haut, kann man sicherlich auch hier Ansätze finden, das Mikrobiom positiv zu beeinflussen.

Es sollte schnellstmöglich ein Standard zur Qualitätskontrolle von Mikrobiom-Kosmetikprodukten gesetzt werden, um dem Konsumenten ein Messwerkzeug in die Hand zu geben. Des Weiteren muss die EU-Kommission eine Lösung für die sinnvolle Einordnung und Regulierung dieser neuen Art von Kosmetika finden.

Alles in Allem ist es eine sehr positive Entwicklung, dass unsere kleinen Symbionten, welche mehr dienlich als schädlich für uns sind, endlich die Beachtung finden, die sie verdienen.

 

Agenda des Seminars:
1. Die mikrobielle Hautflora des Menschen (Ing. Joelle Nussbaum – Abteilungsleiterin der Kundenberatung BAV INSTITUT)
2. Mikrobiologische Untersuchungsmethoden für Kosmetika und Mikroorganismen-Populationen auf der Haut (Ing. Paul Andrei – Geschäftsführer BAV INSTITUT, Offenburg)
3. Mikrobiom, Haut-Mikrobiota, Kosmetik: Wirkmechanismen, kosmetische Wirkstoffe, erzielbare Wirkungen (Heiko Prade, CLR-Berlin)
4. Best practise: kosmetische Produkte für das Mikrobiom und die Haut-Mikrobiota (Johannes Lang, BELANO Medical AG)
5. Wissenschaftliche Basis: Mikrobiom, Mikrobiota und die Haut (Dr. Christine Lang, TU Berlin)
6. BioSKN und Einfluss auf das Mikrobiom der Haut (Dr. V. Krug, Gloryactives)
7. Messungen des Mikrobioms und kosmetische Wirksamkeitsnachweise (Dr. Bruenke MTC e.K.)
8. (Derzeit fehlende) regulatorische Absicherung und Optionen (Dr. Brunke, Kosmetikverband ICADA eV)

Über ICADA: ICADA ist ein internationaler Lobbyverein der Kosmetikindustrie und vertritt die Interessen von KMUs der Kosmetikbranche. Aufgrund aktuell laufender Diskussionen mit der EU-Kommission zum Thema Mikrobiom-Kosmetik, hat ICADA das Experten-Seminar Mikrobiom-Kosmetik veranstaltet.

Über das BAV-Institut: Das BAV-Institut ist ein akkreditiertes Untersuchungslabor für Lebensmittel-, Kosmetik- und Arzneimittel. Es führt Qualitätskontrollen nach dem Europäischen Arzneibuch und nach einschlägigen ISO-Methoden unter Berücksichtigung der GMP Regeln durch. Das BAV-Institut war Gastgeber des Experten-Seminars Mikrobiom-Kosmetik.

Über MyMicrobiome: MyMicrobiome.info (www.mymicrobiome.info) unterrichtet die Öffentlichkeit allumfassend zum Thema Mikrobiom. Wissenschaftliche Fakten werden für das breite Publikum leicht verständlich übertragen. Somit ist MyMicrobiome die einzige Mikrobiom-Aufklärungs-Plattform, die das Thema für die allgemeine Öffentlichkeit zugänglich macht. Dr. Kristin Neumann, Autorin und Gründerin der Website, hat das Seminar moderiert und zusammengefasst.

Dr. Kristin Neumann
Dr. Kristin Neumann
Autorin

Ich studierte Molekular- und Mikro-Biologie, weil ich immer wissen wollte, wie das Leben funktioniert. Nach meiner Promotion hatte ich einige sehr idealistische Ansichten über einen Job, der der Menschheit dienen würde …

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