Im letzten Jahrzehnt hat das Mikrobiom in allen Bereichen der Forschung, einschließlich der Krebsforschung, Aufmerksamkeit erregt, und auch hier spielt das Mikrobiom eine wichtige Rolle. Unser Mikrobiom und Dybiose haben einen Einfluss auf die Krebsentwicklung. Außerdem können Mikroben die Krebstherapie entweder unterstützen oder hemmen oder sie für den Wirt mehr oder weniger toxisch machen. Nicht zuletzt beeinflusst die Krebstherapie auch unser Mikrobiom.
Ein gestörtes Mikrobiom kann Auslöser für Krebs sein
Chronische Entzündungen und den Schaden den diese anrichten, sind ein sehr wichtiger Faktor für die Entwicklung von Krebs. Deswegen spielen Bakterien eine kritische Rolle bei der Entstehung von Krebs.
Die entzündliche Darmerkrankung ist zum Beispiel ein hoher Risikofaktor bei der Entstehung von Darmkrebs (dritthäufigste Krebserkrankung weltweit). Es hat sich gezeigt, dass Fusobacterium nucleatum in kolorektalen Karzinomen angereichert ist.
Das Bakterium H. pylori steht mit Magenkrebs in Zusammenhang, obwohl das Bakterium nur einer von vielen Auslösern von Magenkrebs ist. Umwelteinflüsse wie Rauchen und die genetische Veranlagung spielen auch ein Rolle. Magenkrebs ist weltweit die zweithäufigste Ursache für krebsbedingte Todesfälle.
Brust- und Prostatakrebs sind die Hauptursache für Krebs-Todesfälle für Frauen bzw. Männer. Eine verminderte Menge an Methylobacterium wurde mit einer aggressiveren Brustkrebsentwicklung in Verbindung gebracht. Prostatakrebs bei Männern ist oft auch mit einer Entzündung verbunden, die von einem gestörten Mikrobiom des Harntraktes herrühren kann.
Das Mikrobiom nimmt Einfluss auf den Erfolg von Krebstherapien
Mikroben können sowohl bei der Chemo- als auch bei der Immuntherapie auf drei verschiedene Arten eingreifen: 1) die Arzneimittelwirksamkeit fördern, 2) die Antikrebswirkung stören und kompromittieren und 3) Toxizität vermitteln.
Ein Beispiel für die Hemmung von Krebsmedikamenten ist die Anwesenheit von Mycoplasma hyorhinisin Tumorgeweben, die die Wirksamkeit des Arzneimittels Gemcitabin beeinträchtigt. Gammaproteobakterien (gram-negative Bakterien wie E. coli, Serratia, Klebsiella und andere) zeigten ebenfalls eine Begünstigung der Resistenzentwicklung gegenüber der Gemcitabin-Therapie. Diese Bakterien produzieren ein Enzym, das das Arzneimittel verändert und es dadurch inaktiviert. Im Falle einer Gemcitabin-Therapie zeigte sich, dass eine Kombination mit Antibiotika die Wirksamkeit der Therapie verbessert.
Eine Art von Therapie, die auf die Anwesenheit bestimmter Bakterien angewiesen ist, ist die platinbasierte Chemotherapie. Die gleichzeitige Behandlung mit einem Cocktail von Antibiotika reduzierte die Krebsregression und das Überleben bei Mäusen (Oxaliplatin-Behandlung), während eine andere Studie zeigte, dass eine Kombination des Arzneimittels Cisplatin mit Lactobacillus-Bakterien die Reaktion auf die Therapie verstärkte. In diesem Fall hängt die Wirksamkeit des Arzneimittels von der Produktion von reaktiven Sauerstoffspezies (ROS) durch Bakterien ab.
Eine Krebstherapie hat wesentlichen Einfluss auf das Mikrobiom
Cyclophosphamid (CTX) -Therapie ist eine Mischung aus Chemotherapie und Immuntherapie. Das Medikament beruht auf der Stimulierung der Antikrebsimmunität. Das Immunsystem benötigt die Unterstützung von Bakterien für seine Aufgaben und tatsächlich zeigten Mausmodelle, dass die CTX-Therapie nur in Gegenwart eines intakten Mikrobioms wirksam war. Die Behandlung mit CTX verursachte die Relokalisation einer Reihe grampositiver Bakterien (Lactobacillus johnsonii, Lactobacillus murinus und Enterococcus hirae) in Lymphknoten und die Milz, wo sie die Immunantwort (bei Mäusen) stimulierten. Keimfreie Mäuse und Antibiotika-behandelte Mäuse waren gegen CTX resistent. Die orale Verabreichung von E. hirae stellte die Reaktion auf CTX wieder her.
Bakterien können auch die Toxizität von Krebsmedikamenten vermitteln. Ein Beispiel ist der Wirkstoff Irinotecan. Das Medikament wird in der Leber inaktiviert, sobald es jedoch in den Darm gelangt, wird es durch bakterielle Enzyme in die aktive Form zurückverwandelt, die dann den Darm schädigen oder Durchfall auslösen können. Diese Toxizität stand mit einer verminderten bakteriellen Diversität und einem Anstieg von Fusobakterien und Proteobakterien im Darm von Ratten in Zusammenhang.
Besonders die Immunkrebstherapie ist auf die Anwesenheit der richtigen Bakterien angewiesen, was wiederum bestätigt, wie sehr unser Immunsystem von unserem Mikrobiom abhängt. Die Ipilimumab-Therapie hängt stark von der Anwesenheit von Bacteroides thetaiotaomicron und Bacteroides fragilis ab. Bei starker Präsenz des Bacteroides-Stammes wurde Ipilimumab-vermittelte Kolitis, eine Nebenwirkung, sogar reduziert.
Die T-Zell-Antwort hängt stark von der Anwesehnheit von Bifidobakterien ab. Eine Antikörper-Therapie gegen den "programmierten Zelltod-Protein-Liganden" (PD-L1), kombiniert mit einem Cocktail von Bifidobacterium-Spezies, stoppte das Melanomwachstum bei Mäusen fast vollständig.
Wie wir das Mikrobiom während und nach der Krebstherapie schützen können
Es ist unbestritten, dass Krebstherapie zu Dysbiose führt und Dysbiose die Therapieeffizienz beeinflussen kann. Wie in allen Bereichen wurden auch in der Krebstherapie verschiedene Strategien wie Probiotika, Präbiotika, Synbiotika (Kombination von Prä- und Probiotika) und Postbiotika erforscht, um das Mikrobiom wiederherzustellen und / oder negative Nebenwirkungen der Krebstherapie zu verhindern.
- Probiotika
- Präbiotika
- Synbiotika
- Postbiotika
- Antibiotika
Probiotika
Die meisten heute verwendeten Probiotika sind Lactobazillen oder Bifidobakterien, weil diese die am Besten untersuchten Gattungen und somit sicher zu verwenden sind.
In einigen kleinen Studien mit Enterococcus faecium beim Menschen und in weiteren Studien mit verschiedenen Lactobacilli- und Bifidobakterien-Stämmen an Ratten zeigten die Probiotika keine positive Wirkung auf das Mikrobiom. Allerdings spielen die richtige Dosis, die Dauer der Verabreichung und die Auswahl der richtigen Stämme eine entscheidende Rolle für die Wirksamkeit.
Bei mehreren weiteren Fällen wurde eine Wirksamkeit sowohl bei Menschen als auch bei Ratten und Mäusen gezeigt. Die Verabreichung von L. rhamnosus GG konnte bei Darmkrebs-Patienten, die mit 5-Fluorouracil (5-FU) behandelt wurden, den Durchfall reduzieren. Mit dem Stamm Bifidobacterium breve-Yakult wurde gezeigt, dass die Darmflora bei Patienten mit verschiedenen pädiatrischen Tumoren, verursacht durch Infektionen, geschützt und verbessert wurde, indem er den pH-Wert unter 7 hielt.
Neben der Linderung von Nebenwirkungen der Chemotherapie zeigten Probiotika auch eine Verbesserung der Wirksamkeit der Krebsbehandlung. L. acidophilus reduzierte das Tumorwachstum bei Mäusen mit Lungenkrebs und Cisplatin-Behandlung. Akkermansia muciniphila erhöhte die Anti-PD-1-Effizienz in Mäusen, und Bifidobacterium verbesserte die Reaktion auf Anti-PD-L1-Therapie bei Mäusen mit Melanom, wodurch das Tumorwachstum nahezu aufgehoben wurde.
Präbiotika
Bei Präbiotika handelt es sich hauptsächlich um Fasern (Ballaststoffe): unverdauliche Kohlenhydrate, die im Dickdarm von kommensalen Bakterien fermentiert werden. Die Produkte dieses Fermentationsprozesses sind kurzkettige Fettsäuren (SCFA), die den intestinalen pH-Wert senken, begünstigt durch die Darm-freundlichen Bakterien Lactobacillus und Bifidobacterium. Ein bekanntes Präbiotikum ist resistente Stärke (RS), die die Produktion von Buttersäure (Butyrat) fördert, das wiederum ein bekanntes Postbiotikum mit krebshemmenden und entzündungshemmenden Funktionen ist.
Zusätzlich zur krebspräventiven Wirkung von Präbiotika wurde gezeigt, dass Präbiotika sogar die Wirksamkeit der Chemotherapie unterstützen können. Inulin und Oligofruktose verbesserten die Wirksamkeit von sechs verschiedenen Medikamenten (5-FU, Doxorubicin, Vincristin, CTX, MTX, Cytarabin) bei Mäusen mit Leberkrebs, ausgedrückt durch eine verlängerte Lebensdauer.
Synbiotika
Synbiotika sind eine Kombination aus Pro- und Präbiotika, die synergistisch wirken. In einer synbiotischen Formulierung sollte das Präbiotikum das Wachstum des kombinierten Probiotikums fördern. Über die Effekte von Synbiotika auf die Krebstherapie im Vergleich zu Probiotika oder Präbiotika ist bisher wenig bekannt. Die Logik deutet darauf hin, dass eine Verstärkung eines wirksamen Probiotikums den positiven Effekt verstärken sollte, der in den bisherigen Krebsstudien beobachtet wurde. Wir müssen auf weitere Studien zu diesem Thema warten, um eine definitive Aussage dazu zu treffen.
Postbiotika
Postbiotika sind die bakteriellen Fermentationsprodukte von Präbiotika. Das bekannteste Postbiotikum ist die kurzkettige Fettsäure Butyrat, das durch Kohlenhydratfermentation hergestellt wird und bereits oben erwähnt wurde. Postbiotika können die gleichen Wirkungen haben wie die lebenden Bakterien, die sie produzieren, was sie zu einer sichereren Alternative zu lebenden Probiotika macht.
Ein Beispiel, das ich erwähnen möchte, ist eine in-vitro-Studie, die zeigte, dass der Überstand von Lactobacillus plantarum die 5-FU-Toxizität und die Apoptose (programmierter Zelltod) von Krebszellen erhöhte und das Überleben von Krebszellen reduzierte. Dieses Ergebnis deutet auf eine mögliche Verwendung von Postbiotika hin, um die Wirksamkeit der Krebstherapie zu verstärken und gleichzeitig nachteilige Nebenwirkungen zu lindern.
Antibiotika
Obwohl Antibiotika unser Mikrobiom stark schädigen, ist es in einigen Fällen der Krebstherapie sinnvoll, sie anzuwenden. Im Optimalfall würde man sehr spezifische Antibiotika verwenden, die nur gezielt unerwünschte Bakterien angreifen, die die Wirksamkeit von Krebsmedikamenten hemmen. Ein Beispiel für die Hemmung von Krebsmedikamenten ist die Anwesenheit von Mycoplasma hyorhinis in Tumorgeweben, die die Wirksamkeit des Arzneimittels Gemcitabin beeinträchtigen. In diesem speziellen Fall könnte die Verwendung eines Antibiotikums gegen M. hyorhinis die Therapieeffizienz verbessern. Dies wurde tatsächlich bei Mäusen mit Darmkrebs gezeigt, die mit Gemcitabin und dem Antibiotikum Ciprofloxacin behandelt wurden.
Abgesehen von diesem einen Fall, hat die Behandlung mit Antibiotika auf die meisten Krebstherapien einen negativen Einfluss. Sowohl bei Chemo- als auch Immuntherapie wird nicht nur die Wirksamkeit abgeschwächt, sondern auch die Nebenwirkungen verstärkt. Dies wurde in verschiedenen Maus-, Ratten- und Humanstudien mit Cisplatin, Oxaliplatin, Anti-CTLA-4, PD-1 / PD-L1-basierter Immuntherapie, CpG-Oligodeoxynukleotid-Immuntherapie und CTX gezeigt.A
Fazit – Kümmere dich um dein Mikrobiom!
Wie bei fast jeder Krankheit spielen nicht nur die genetische Veranlagung des Wirts und Umweltfaktoren wie Ernährung und Lebensstil eine Rolle, sondern auch das Mikrobiom. Dieses Wechselspiel zwischen dem Wirt, einem Medikament und dem Mikrobiom ist enorm komplex. Wissenschaftler haben jedoch schon sehr gute Arbeit geleistet, um Beziehungen innerhalb dieses komplexen Zusammenspiels zu identifizieren. Wir dürfen jedoch nicht vergessen, dass die meisten wissenschaftlichen Studien an Tiermodellen durchgeführt wurden, die nicht zu 100% auf die menschliche Spezies übertragbar sind.
Ein gesunder Lebensstil, eine vielfältige Ernährung mit möglichst frischen, unverarbeiteten Lebensmitteln und die Einnahme von (geprüften) Probiotika und Präbiotika können die Entwicklung von Krebs verhindern, die Wirksamkeit von Krebstherapien verbessern und die Nebenwirkungen von Medikamenten lindern.
Mehr dazu: microbiomejournal.biomedcentral.com